Info3, Ausgabe Dezember 2015
Gedruckte Ausgabe
geheftet
€ 5,80
Was Tiere uns bedeuten (11/2015)

Menschen auf der Flucht – von den dramatischen menschlichen Schicksalen dieser Tage gibt es viele Bilder, denn im Zeitalter der mobilen Kommunikation ist immer eine Kamera zur Hand und über das Internet erreicht die Botschaft schnell Hunderttausende. Menschen auf wackeligen Schlauchbooten, Menschen vor Zäunen, Menschen im Regen, Kinder.

Eines dieser Bilder ist mir besonders in Erinnerung geblieben, obwohl es sicher viele wichtige andere gab: Ein Youtube-Video zeigt einen jungen Mann aus Syrien, einen von vielen tausenden Vertriebenen, ausgezogen um allein ein neues Leben zu finden. Aber ganz allein hat sich dieser Mann doch nicht auf den Weg machen müssen: Als er einen Blick in seinen Rucksack freigibt, staunt man nicht schlecht: Neben den paar Habseligkeiten, die er mitnehmen konnte, hat der Mann seine Katze dabei! Souverän schaut das niedliche Tierchen aus seinem mobilen Zuhause auf die Menschen, die es neugierig umringen. Vielleicht war daheim niemand mehr zurückgeblieben, der sich um sie kümmern konnte und der Besitzer wollte sie nicht einem ungewissen Schicksal überlassen, ohne Futter durch Ruinen streifend, ohne Zuflucht allein in Bombennächten. So hat er kurzerhand in seinem kleinen Rucksack noch etwas Platz geschaffen, sich mit dem kleinen Tier im Gepäck auf zur Grenze gemacht, die Türkei durchquert und hat besonders gut aufgepasst, als das wasserscheue Wesen bei der Überfahrt auf eine der griechischen Inseln unruhig wurde. Wie viel mehr Achtsamkeit auf einem so gefahrvollen Weg war nötig, um neben sich selbst auch noch eine Katze zur retten! Wenn das möglich ist, dann schaff en wir es auch, mögen sich viele gedacht haben, die dem ungewöhnlichen Paar begegnet sind. Hoffentlich haben beide inzwischen ihr Ziel sicher erreicht.

So vordergründig unvernünftig das Mitnehmen einer Katze auf der Flucht auch sein mag, so unbeschreiblich herzlich wirkt diese Konstellation. Diese kleine Geschichte zeigt, wie stark die Beziehung zu einem Tier sein kann. Wofür man einmal Verantwortung übernommen hat, dem bleibt man verbunden. Diese Entscheidung geht zwar einseitig vom Menschen aus, aber vom Tier kommt doch etwas zurück: Überall, wo der junge Mann mit seinem Tier auftauchte, blühte für einen Moment eine Atmosphäre von Wärme und Menschlichkeit auf; die Katze hat wenigstens für ein paar Minuten lachende Gesichter, Freude und Zuversicht verbreitet. Tiere bringen Seele in unser Leben, in guten wie in schlechten Zeiten.